Nach 111 Tagen in den USA wollen wir die Gelegenheit nutzen, und einen Blick zurueck zu riskieren.
In diesen 111 Tagen, haben wir
ca. 311 mal die Uhrzeit sagen muessen, weil die deutsche Fraktion immer noch verwundert ueber die Zeitverschiebung ist. Hier nochmal fuer alle: WIR SIND 6 STUNDEN HINTERHER!!! Also NIE um 8 Uhr morgens deutscher Zeit anrufen!!! Wenn wir dann Sonntag morgens gegen 9 Uhr die ersten anrufen, hoeren wir immer “Was? Ihr seid gerade erst aufgestanden?” ….
Weiterhin haben wir ca. 93 Kaffeefilter verbraucht, 37 Muelltueten, 3 grosse Packungen Kaffee, 1 Tube Sekundenkleber (um die Schaeden von ihm, dessen Namen hier verklebt wird, zu reparieren), 2 Zehennaegel, die noch leicht verfaerbt sind (aufmerksame Leser dieses Blogs wissen, dass er, dessen Name nicht genannt wird, aus Versehen einen Sixpack Budweiser auf die Fuesse von ihr, die den Schaden meistens abkriegt, geworfen hat), drei Autohaendler zum Weinen gebracht, weil wir die grosszuegigen Kreditangebote mit nur 25% Zinsen nicht annehmen wollten und AT&T hat uns auch auf der schwarzen Liste, weil sie uns ein iPhone umtauschen mussten, das eigentlich gar nicht umtauschbar ist. Weitherhin haben wir die Autoversicherung in 24 Stunden zweimal gewechselt und Kmart um einen $50 Gutschein erleichtert.
Ausserdem wurden ca. 20 l Orangensaft und 130 Liter Bier getrunken (Wasser nicht mitgerechnet), 3 Kanister Tide verbraucht (ja, liebe Gaeste, die Bettwaesche des Gaestezimmers ist auch damit gewaschen!) sowie 4 l Wasser zum Buegeln.
Unser Auto wurde in den 111 Tagen kein einziges Mal gewaschen, ausser es hat geregnet und wir suchen noch immer einen Rasierer, der im Nirwana verschwunden ist.
Der, dessen Namen keiner nennt, hat in den 111 Tagen folgende Schaeden verursacht, wofuer er in 99.999% der Faelle nichts fuer konnte:
– Desolate Zerstoerung diverser Kleinmoebel- und Dekostuecke
– Reduzierung eines Swiffer-Stiels um 50%
– Verletzungen an 2 Zehen, linker Fuss
– 2 Einkaufswagen im ShopRite so verschoben, dass sie keiner wieder gefunden hat
– Brandloch in Tischdecke
– Reissverschluss des nagelneuen Matratzenschoners aufgerissen (immerhin aelter als 24 Stunden)
– die Kundenkarte von BJ’s eine Stunde nach Ausstellung verloren
– eine Ladung Reagenzgläser, die als Cocktailgläser auf der Theke standen, umgeschmissen
– unseren Nachbarn zum 23ten Mal Thomas genannt .. dummerweise heisst er Stefan ..
– eine Kappe verloren
– das Notebook beim Nissan Haendler im Showroom stehen lassen
– den Fuehrerschein im Kopierer bei Staples vergessen
– die Kehrschaufel der Nachbarn mit gluehender Kohle durchloechert. Die gute Nachricht ist: die Kehrschaufel gibt ne prima Giesskanne her ….
Ach ja .. wir haben jetzt auch zwei Fernbedienungen fuer den Fernseher, er, dessen Namen hier nicht umgeschaltet werden kann, hat die Fernbedienung reklamiert .. es hat sich dann aber raus gestellt, dass er einfach zu lange drauf gedrueckt hat und deswegen immer zwei Programme auf einmal geschaltet werden …
In diesen 111 Tagen haben wir ca. 15 mal mit unseren Familien geskypt und noch viel oefter telefoniert.
Natuerlich vermissen wir unsere Familien und auch die frueheren Kollegen (okay, nicht alle ..), unsere Freunde, Biergaerten, den Momberger, Frankfurt, Ratzeburg, weissen Spargel, Fleischwurst, Gruenkohl und und und aber mittlerweile haben wir uns gut eingelebt und einfach mal so Samstags morgens nach New York City fahren, ist ja auch nicht soooo schlecht. Die Nachbarn hier sind supernett, es findet sich immer jemand fuer ein kleines Schwaetzchen und meistens wird Montags schon geplant, was Sonntags auf den Grill kommt.
Fuer die arbeitende Bevoelkerung ist das Leben hier deutlich entspannter alleine schon durch die erweiterten Oeffnungszeiten, die auch fuer Banken, Aerzte, etc. gelten.
Von den Lebensunterhalt-Kosten ist das Niveau aehnlich wie in Deutschland, wobei Fleisch und Gemuese, Obst (nicht alles) billiger sind als in Deutschland. Die Auswahl ist auch deutlich groesser. Kleider und Schuhe sind viel billiger, aber zum Beispiel Milch, Butter, Kaese und Wurst sind etwas teurer. Haeuser sind im Moment billig zu haben, was aber anscheinend keiner weiss, dass man hier horrende Steuern pro Monat bezahlt. Das koennen je nach Ort und Wert des Hauses bis zu $18.000 im Jahr sein! Zusaetzlich zu den monatlichen Raten natuerlich.
Entgegen aller Annahmen gibt es hier seeehr viel Wald und es wohnen sogar Baeren darin (Nein, Mama, ich versuche nicht einen Baeren zu streicheln!), obwohl wir nur 40 km von New York City entfernt wohnen!
Nach New York City faehrt man mit der Bahn so 50 Minuten, mit dem Auto haben wir uns das bis jetzt noch nicht angetan.
Das Meer ist ungefaehr 45 min entfernt, der Pool 10 Sekunden und der naechste See so 10 min mit dem Auto.
Golfplaetze gibt es in Huelle und Fuelle, die naechste Driving Range mit ca. 50 Abschlagslots ist gerade mal 10 min entfernt.
Es gibt vieles, was einfach anders ist .. die Autofahrer (holy cow!!!), das Bankensystem (selten so umstaendliches System erlebt), das Kreditsystem (wir haben nur 2 Kreditkarten und sind daher die Ausnahme), das Uni-System (logisch, dass man fuer den PhD in Bio-Chemie unbedingt auch einen Ueberblick ueber amerikanische Geschichte und Kunst braucht). Er, dessen Namen die ganze Kunstwelt kennt, ist eifrig am Malen und es wird zu Weihnachten nur selbstgemalte Bilder geben!
Ich denke mal, wir fallen in Nanuet immer noch auf, weil
– wir mit dem Fahrrad fahren
– zu Fuss in die Kneipe und zum Einkaufen gehen
– ein kleines sparsames Auto fahren
– die Spuelmaschine nicht in Betrieb haben
– bei gutem Wetter auf dem Balkon sitzen
– wir dunkles Brot in der Rockland Bakery kaufen
– die Waesche draussen trocknen
– die Klimaanlage nicht benutzen
Um den Luftdruck zu messen braucht man hier schnelle Fuesse, da das Messen 75 Cents kostet und man nur 3 min Zeit hat.
Den Fuehrerschein mussten wir hier nochmal machen, inkl. Theorieunterricht (5 Stunden) und 10 minuetiger Fahrpruefung.
Der Koenig hatte zwei Eintraege in seinen Fuehrerschein, einmal wegen ueberhoehter Geschwindigkeit “Speeding in weather condition ” (36 Meilen statt 25 Meilen bei 3 Tropfen Regen!!!. Erlaubt sind 40 Meilen, der Pruefer hatte sich aber schon aengstlich an den Griff geklammert) und er hat zu weit weg vom Bordstein geparkt.
In meinem stand drinne, dass ich zu abrupt bremsen wuerde (der hat mich noch nicht abrupt bremsen gesehen …) und ich habe mich einmal nicht umgedreht (da wird wohl kein interessanter Mann vorbei gegangen sein, sonst haette ich bestimmt geschaut!).
Die Arbeit macht nach den ersten anstrengenden Wochen auch grossen Spass, ist aber total anders als in Deutschland. Die Leidensfaehigkeit der Kunden ist deutlich hoeher (Captain Micha, wenn Du das hier lesen solltest: HIER ist Support ein Vergnuegen .. keiner beschwert sich, sind alle zu hoeflich fuer) und das Tempo ist fuer meinen Geschmack etwas langsamer. Mittlerweile haben sich die Kollegen auch an meine Witze und Sprueche gewoehnt und wir halten oft ein Plaeuschen :-))
Alles in allem ist eine tolle Erfahrung hier zu sein, aber es ist schon deutlich anders, als Urlaub hier zu machen.
Das nur mal so am Rande fuer alle Auswanderwuetigen … Urlaub in den USA ist auch super, man muss nicht unbedingt hier wohnen. Davon sollte nicht das Lebensglueck abhaengen. Man gibt auch viel auf, um hier zu sein!
Und bevor wir jetzt in den philosopisch-reaktionaeren Bereich abschweifen, reissen wir lieber ne Dose Miller auf und senden sonnige Gruesse aus Nanuet, Rockland County.
P.S. Wir haben in 11 Tagen lediglich 3 Pakete erhalten … ein Golf-Memory und zwei Fruehstuecksbrettchen (Marke: koenigs-sicher) aus Holz mit Frankfurt und New York City (Danke an Familie Weyrauch-Pape), ein spezielles Mousepad mit Bilder meiner Zeit als Sunnie (Danke Kirsten und Dani) und ein Paket mit Bratensossen, Schals, Kontaktlinsen und was der Mensch in den USA sonst so braucht :-)) (Danke Mama (besonders fuer die Schals .. sind bei 30 Grad etwas warm, sehen aber schick aus), Poppi, Pille, Ronja)
P.P.S. .. und richtige Briefe schreibt uns soweiso kein Schwein!!!